Zwischen Erwartung und Realität: Wenn Diversity müde macht

Dass Diversity, Equity & Inclusion (DEI) längst keine Nischenthemen mehr sind, zeigt sich unter anderem in der steigenden gesellschaftlichen und unternehmerischen Relevanz von Vielfalt. Und dennoch weicht die Begeisterung für Vielfaltsthemen in vielen Unternehmen zunehmend einer gewissen Ermüdung. Der Begriff „Diversity Fatigue“ beschreibt genau diesen Zustand: wenn Mitarbeitende und Führungskräfte müde von Diversitäts- und Inklusionsbemühungen werden. Doch wie kommt es zu dieser Ermüdung, wenn aktuelle Zahlen, zum Beispiel aus dem Factbook Diversity 2024 der Charta der Vielfalt, längst beweisen, dass Unternehmen, in denen DEI gefördert wird, von mehr Innovationskraft und besserer Problemlösung profitieren und somit allgemein erfolgreicher sind?
Mangelnde Verbindlichkeit und kaum erkennbare Veränderungen
Wenn Unternehmen Diversitätsziele kommunizieren, erwarten Menschen sichtbare Fortschritte. Bleiben diese jedoch folgenlos, kaum erkennbar oder werden nur als Symbolpolitik oder Pflichtprogramm wahrgenommen, entsteht Desinteresse. Genauso, wenn DEI nicht über einen strategischen Ansatz, sondern nur über Einzelmaßnahmen verfolgt wird, wenn Diversitätsmaßnahmen zu schnell und ohne ausreichende Planung eingeführt werden, wenn Führungskräfte das Thema nicht aktiv treiben oder wenn es keine ausreichenden Daten gibt, um die Fortschritte zu messen. Hinzu kommt, dass in Zeiten multipler Krisen wie Kriegen und Umweltkatastrophen andere Themen mehr Raum bekommen und DEI in den Hintergrund rückt. Aktuell leider wunderbar zu beobachten: politische Entwicklungen, die Einfluss nehmen auf unternehmensinterne DEI-Strategien. Angeführt von prominenten Stimmen wie Donald Trump oder Elon Musk formiert sich beispielsweise in den USA derzeit eine starke Gegenbewegung, die DEI öffentlich als „Wokeness“ diskreditiert. Dass diese Haltung zunehmend auch deutsche Unternehmen mit starker Marktpräsenz in den USA beeinflusst, zeigt sich laut einer Analyse von Deutsche Welle darin, dass Unternehmen ihre Diversity-Bemühungen zurückfahren, um politisch nicht anzuecken oder wirtschaftliche Risiken zu vermeiden.
Was Unternehmen tun sollten, um Diversity Fatigue zu vermeiden
Entscheidende Handlungsimpulse gibt es mehrere. Zum einen sollte DEI nicht als einmaliges, isoliertes Projekt betrachtet werden, sondern gezielt in die Gesamtstrategie eines Unternehmens integriert werden. Es müssen Räume für offenen Austausch, kritische Perspektiven und kontinuierliches Lernen geschaffen werden und es braucht die Offenheit, bei DEI in einem Prozess zu denken – mit Wiederholungen, Kurskorrekturen und Rückschlägen. Zum anderen sollten auch Führungskräfte Verantwortung übernehmen, und zwar nicht als Pflicht, sondern aus Überzeugung. Laut der European DE&I-Index-Studie gehören nur ein Drittel der Führungskräfte unterrepräsentierten Gruppen an, dabei wirkt sich Vielfalt in der Führung nachweislich positiv auf die Unternehmenskultur und DEI-Bemühungen aus. Des Weiteren muss eine Messbarkeit geschaffen werden, um Fortschritten und Wirkungen zu erheben und um Erfolge, aber auch Lücken, transparent zu kommunizieren.
Diversity Fatigue als Warnsignal für schlecht eingebettete Initiativen
Unternehmen tragen auch eine soziale Verantwortung und so ist es in einer Gesellschaft, die immer komplexer und heterogener ist, unabdingbar, dass auch Unternehmen immer komplexer und heterogener werden. Wenn Unternehmen Vielfalt jedoch nicht überzeugend und glaubwürdig vorantreiben, kann das zu Frustration oder Ermüdung führen. Doch das Gute ist: diese Diversity Fatigue ist kein Endpunkt. Sondern sie zeigt vielmehr auf, dass Initiativen schlecht eingebettet sind und umgesetzt werden. Und das kann angegangen werden.
Quellen:
https://www.ey.com/de_de/insights/diversity-inclusiveness/dei-im-europavergleich-bilanz-eines-trends
https://www.dw.com/en/how-trumps-anti-woke-push-affects-german-firms-dei-policy/a-72676465
https://cdn.prod.website-files.com/67b322b4f0736791cf0402d6/67e3ffe24d91d2e7f48762e9_Factbook_DE_2024.pdf