„Workation braucht die passende Unternehmenskultur“
Im Rahmen der LEARNTEC xChange diskutierten Experten über Chancen und Risiken, die das Arbeiten aus dem Ausland birgt
Auch in diesem Jahr begeisterte das Online-Format LEARNTEC xChange mit Vorträgen und Diskussionsrunden rund um neue Formen des Lernens in Schule, Hochschule und Unternehmen über 2.300 registrierte Teilnehmende. Der Mittwochvormittag stand dabei ganz im Zeichen der neuen Fachmesse New Work Evolution, die parallel zur LEARNTEC von 23. bis zum 25. Mai in den Hallen der Messe Karlsruhe stattfinden wird.
Den Einführungsvortrag zum Thema „Workation“ hielt Frank Roth, CEO der AppSphere AG – und deckte dabei Herausforderungen und Chancen des Arbeitens aus dem Ausland umfassend ab. Gerade in Branchen, in denen Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt hart umkämpft sind, seien Home Office und Workation-Angebote eines Unternehmens schon im Bewerbungsgespräch wichtige Argumente. „Die Bilder auf Social Media, Laptop auf den Knien, Füße hochgelegt mit Blick auf’s Meer – das sind oft Bilder von Freiberuflern,“ so Roth. „Bei Angestellten ist es nicht ganz so einfach. Da sprechen wir über steuer-, sozialversicherungs- und gesundheitliche Aspekte, über die Ausstattung des Arbeitsplatzes, Arbeitsschutz und Datensicherheit, die es zu beachten gilt.“
Generell sei Workation im europäischen Ausland einfacher, doch auch innerhalb Europas gebe es Fallstricke. In Ländern wie Belgien beispielsweise gelte die Steuerpflicht für Arbeitnehmende ab dem ersten Tag, so dass unter Umständen eine Doppelbesteuerung auf Angestellte zukäme. In Portugal gelte nach einer gewissen Aufenthaltszeit das portugiesische Arbeitsrecht und damit ein verringerter Kündigungsschutz. In der Schweiz brauche es in jedem Fall eine Arbeitserlaubnis. Auch die Datensicherheit und die Ausstattung des Arbeitsplatzes müsse beachtet werden. „Bei Tausenden Kilometern Entfernung kann der defekte Laptop eben nicht schnell von der hauseigenen IT ersetzt werden,“ so Roth.
In jedem Fall empfiehlt Frank Roth bei Workation eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, die all diese Punkte regle. Für sein Unternehmen AppSphere hat der Geschäftsführer gemeinsam mit einem Rechtsanwalt 20 Länder auf relevante Steuer-, Arbeitsschutz- und Versicherungsregularien gescreent.
Warum aber ist Workation trotz all dieser Herausforderungen ein begrüßenswertes Angebot an Arbeitnehmende?Bessere Abdeckung der Schulferien, Work-Life-Balance, mehr Zeit mit der Familie, längere Besuche bei Verwandten im Ausland oder nicht zuletzt eine massive Steigerung der Attraktivität eines Unternehmens im War of Talents seien viele gute Gründe, die für Workation sprächen, so Roth.
Arbeitskultur im Wandel
In der anschließenden Diskussionsrunde beleuchtete Roth gemeinsam mit Götz Pasker, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Dennig & Kollegen in Karlsruhe, und Elke Manjet, Global Head of Talent Attraction, SAP in Walldorf das Thema. SAP ermöglicht seinen Mitarbeitern bis zu 30 Tage jährlich im Ausland zu arbeiten. Grundlage sei laut Elke Manjet die unternehmensinterne Initiative „Pledge to flex“ mit dem Ziel flexiblen und vertrauensbasierten Arbeitens.
Mitarbeitende, die sich für Workation interessieren, könnten sich laut Frank Roth auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Sachen Steuerrecht informieren, doch auch ein Anruf bei der BG sei wichtig: „Tatsache ist, dass Unternehmen und die Technik in Sachen Workation vieles ermöglichen, auf der anderen Seite steht der Gesetzgeber mit Regularien, die dem Thema noch weit hinterherhinken.“ Rechtsanwalt Pasker ergänzte, dass ein Aufenthalt von bis zu zwei Wochen steuer- und sozialversicherungsrechtlich in den meisten Fällen unproblematisch sei. Längere Aufenthalte müssten im Einzelfall geprüft werden.
Für Elke Manjet sei entscheidend, auch die richtige Unternehmenskultur zu schaffen, in der Workation möglich ist. „Führungskräfte haben sich zu Anfang der Pandemie, als alle ins Home Office gegangen sind, unwohl gefühlt. Es gab eine Unsicherheit, inwieweit im Home Office die gleiche Leistung erbracht wird. Deshalb sei eine Kultur des Vertrauens wichtig,“ so Manjet. Auch im Büro arbeiteten Menschen unterschiedlich produktiv. Für Manjet ist das Thema Leistung im Home Office inzwischen durch Zahlen positiv belegt: Im Home Office blieben Mitarbeitende weniger in ungeplanten Gesprächen hängen, seien weniger abgelenkt.
Roth thematisierte die andere Seite, das Mindset des Mitarbeitenden. „Kann ich als Unternehmen dem einen Mitarbeiter Workation gestatten, und dem anderen nicht, da er vielleicht nicht das nötige Mindset mitbringt?“ Für Fachanwalt Pasker eine schwierige Situation: „Es gibt kein Anrecht auf Workation, gleichwohl gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Arbeitgeber braucht für eine Ablehnung schon einen triftigen Grund.“
Moderatorin Corona Feederle, Geschäftsführerin des Büroausstatters feco-feederle ergänzte, dass Home Office auch zu einer Neugestaltung der Unternehmensarbeitsplätze geführt habe. Das Gebot der Stunde sei, ein Büro attraktiv und mit hoher Aufenthaltsqualität auszustatten, so dass Mitarbeitende den heimischen Komfort auch wieder gerne gegen ihr Büro tauschen.
Workation und Home Office habe aber auch Grenzen, so die Experten, gerade weil es keine klare Abgrenzung mehr gebe zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Für Elke Manjet sei es ganz klar Aufgabe der Führungskraft, deutlich zu machen, dass Chef-Mails am späten Abend nicht direkt bearbeitet werden müssten, denn „Meine Arbeitszeit ist nicht deine Arbeitszeit“. Mitarbeitende müssten dazu angehalten werden, sich selbst und ihre Arbeitszeit zu steuern, um langfristig gesund zu bleiben.
Weitere spannende Vorträge und Panels rund um New Work gibt es bei der neuen Fachmesse New Work Evolution: Interessierte Unternehmen finden HIER weitere Informationen für Ausstellende.